In Westungarn, direkt ans Südburgenland anschließend befindet sich der ÖRSEG-Nationalpark. ÖRSEG = Die Wache. Ein Waldgebiet, das im Norden von der sich mäandrierenden Raab begrenzt wird und sich im Süden an Slowenien anbindet. Ein wichtiges Trinkwasserreservoir für Ungarn und seit März 2002 Nationalpark. Außerdem ist es teilweise auch das Gebiet der slowenischen Minderheiten in Ungarn mit ca. 4000 ungarischen Slowenen. Für die Zustimmung zum Nationalpark forderte die Bevölkerung damals eine Anbindung an Slowenien. Diese wurde gewährt. Zwei Straßen wurden neu errichtet. Eine führt von Martinje nach Felsösölnök – Oberzeming, die andere nach Abatistvanfalva – St. Stefan, bzw. eine Verbindungsstraße von St. Stefan über Kötvölgy – Zweitäler nach Felsösölnök.
Unser erster Weg führt uns aber zur Raab nach Jakobhaza bei Rönök. Die ungarische Raab unterscheidet sich von der österreichischen durch ihren natürlichen Verlauf. Schon zu kommunistischen Zeiten wurde dem Fluss viel Platz für seinen natürlichen Bewegungsdrang eingeräumt. Dies aus Hochwasserschutzgründen aber wohl auch aus Geldmangel zur damaligen Zeit. Außerdem war genügend Ackerland vorhanden um die Bevölkerung 10mal zu ernähren. Die Kolchosengründe haben inzwischen österreichische Industriebetriebe gepachtet. Eine neue Straße wird gerade gebaut. Es ist die Fortsetzung der S7 nach Körment.
Über eine Panzerstraße gelangen wir zur Eisenbahntrasse und gleich danach beginnt das Raab-Gebiet mit ausgedehnten Wirtschaftswiesen und den Raabmäandern. Auf den Feldwegen stehen tiefe Pfützen in denen sich sowohl Gelbbauch als auch Rotbauchunken wohl fühlen. Auch die Tümpelfrösche haben diese Pfützen erobert und so gibt es dort schon jetzt ein Gewimmel. Wir fangen zwei Tiere um die Unterseite zu beobachten und die Flecken bei den Unken artspezifisch zuzuordnen. Bei den Tümpelfröschen ist eine exakte Zuordnung nich möglich. Sie bastardisieren mit anderen Wasserfröschen sehr stark.
Entlang des Feldweges überraschen wir einen Schwarzstorch, der gegen den Wind flüchtet und uns einen ausgiebigen Augenschmaus beschert. Für die Ohren gibt es auch etwas. Ein Wendehals ruft aus den alten Weidenbeständen und eine Priol singt uns sein Lied. Mönchsgrasmücken und Meisen hocken in jedem Gebüsch. Die ruderalen Bereiche des Feldweges zeigen eine vorauseilende Blüte bei den Kräutern. Überhaupt sind diese rasch abtrocknenden Wege wichtig für die Tiere der Wiesen. Wir entdecken Dachsspuren, Hasenlosungen und erste Heufalter. Schmetterlinge sind gute Zeiger für den Klimawandel. Ihr frühes Auftreten steht im direkten Zusammenhang zu einer sich erwärmenden Umgebung.
Am Raabufer angelangt besuchen wir einen ausgetretenden Fischerplatz. Am gegenüberliegenden Ufer macht sich ein Biber am Schwemmholz zu schaffen, das er vor seinen Bau abgelagert hat. Einige Stockenten steigen auf. Baumschwämme besiedeln die Weiden. Die Ufer sind eingebrochen und einige abgestorbene Bäume stehen nun im Wasser. Hier nimmt sich die Raab jedes Jahr bis zu zehn Meter Grund ovm Umland und steht kurz vor dem Durchbruch und der Abschnürung eines Altarmes. Diesen zukünftigen Altarm wollen wir uns genauer ansehen. Durch ein Dickicht von Japanischen Staudenknöterichen gelangen wir auf den ausgetretenden Rotwildwechsel bis zur Innenkurve des Mäanders. Eine kleine Insel hat sich dort entwickelt. Am Prallhang gegenüber hätten Eisvögel oder einige Bienenfresser ihre Bauten graben können. Aber der landwirtschaftliche Grund dahinter wird von zu großen Maschinen bebaut, die den Boden verdichten. Trotzdem strotzt der Platz vor lauter Dynamik. Die ist es auch, die den Auwald so lebendig macht.
Die weiche Aue kann immer wieder im Hochwasser stehen. Der Baumbestand der Harten Aue wird hingen nur selten überflutet. Wir finden zumindest eine alte Flatterulme, die darauf hinweist. Durch den Japanischen Dschungel, der sich inzwischen entlang der ganzen Raab ausgebreitet hat und den gewohnten Flair etwas die Schau stielt, geht es zurück auf die Wiese und entlang eines Altarmes wieder zum Bus zurück. Wir fahren weiter nach Rönök, wo uns das Mittagessen erwartet. Die obligate Gipsy Musik gratis dazu fördert die Geselligkeit und wir lassen uns ausgiebig Zeit bevor wir wieder aufbrechen.
Über der Raab am Weg nach St. Gotthard sind 3 von 6 Storchenhorsten heuer bewohnt. Auch nach St. Gotthard finden wir noch einen besiedelten Storchenhorst vor. Als Untermieter haben sich Feldsperlinge eingenistet. Die Rauch- und Mehlschwalben vermitteln eine Geschäftigkeit mit ihren zügigen und kunstvollen flugakrobatischen Einlagen. Wir dringen nun in das slowenische Ungarn ins Zemingtal ein. Doch auch hier hat es ein Vordringen der industriellen Landwirtschaft gegeben. Zahlreiche Wiesen sind dem Pflug zum Opfer gefallen oder vom Wald erobert worden. Keine Pferde mehr, die vor dem Pflug ihre Kraft einsetzen konnten oder ein Gespann, das einen Wagen hinter sich nach zog. Noch vor einem Jahrzehnt eine Alltäglichkeit hier. Über die neue Straße gelangen wir von Felsösölnök nach Kötvölgy.
Eine erneute Wanderung führt uns durch ein Tal mit Orchideenbesetzten Magerwiesen und außeralpinen Feuchtwiesen. Das Klima im ÖRZEG ist verwunderlich. Obwohl unter 400 Meter Seehöhe und auf der gleichen nördlichen Breite wie dem Vulkanland, herrschen hier bedingt durch das Fehlen nördlicher Barrieren, wie die der Ostalpen subalpine Klimaverhältnisse. Auf einem sauren Schwemmboden wachsen Föhrenwälder mit einzigartiger Vegetationszusammensetzung. Das führt zahlreiche Wissenschaftler in diese Region. Der Artenreichtum begründet sich auf einer mageren Bodenschichte, die keine üppige Vegetation zuläßt.
Die Trollblume gehört zu den schönsten Vertretern der Hahnenfußgewächse. Sie ähnelt schon einer Garten-Pflanze mit ihren eiergelben, ausladenden, breiten, rundlichen Blütenhüllen. Ihre Blätter erinnern an den Blauen Eisenhut. Sie wächst außerhalb der Alpen selten. Wenn, dann nennt man das ein dealpines Vorkommen. Neben der Trollblumen gilt das hier auch für den Rundblättrigen Sonnentau oder einige Hochmoorvorkommen mit zahlreichen Torfmoosen, welche tief im Wald versteckt liegt. Durch die Feuchtwiesen verläuft ein unregulierter Wassergraben. Das Ganze ist teilweise eingezäunt und wird später wohl beweidet werden.
Vom Unterhang her hören wir einen Wiedehopf aufgeregt rufen. Er gehört zu den besonderen Vögeln dieses Nationalparks. Es ist knapp 15 Uhr und Sonnnenklar. Entlang des Fahrweges bewegen wir uns den Gegenhang hinauf. Eine Wiese ist völlig verbracht und teilweise mit Birken verwachsen. Birken wachsen auf sauren Böden, genauso wie das Heidekraut. Die Entwicklung zum Wald verläuft über ein Erdbeerstadium, ein Stadium mit Waldreitgras, dann ein Vorwaldstadium mit Birken, Pappeln oder Salweiden, je nach Unterboden. Dann mischen sich Föhren, Fichten und Eichen in die Bestände. Schließlich bildet sich ein Endwaldstadium aus und die Pionierbaumarten verschwinden im Alter von ca. 30-40 Jahren. Wir gehen durch diesen sauren Endwald mit hauptsächlich Kiefern und bedornten Deutschem Ginster im Unterwuchs.
Schon fast auf dem Höhenrücken angekommen häuft sich die Gruppe plötzlich zusammen und umsteht eine Schlange, die sich aufgrund ihrer Entdeckung nun nicht mehr zu rühren scheint. Es ist eine junge Zorn- oder Glattnatter, auch Österreichische Schlingnatter genannt. Bei Berührung beisst sie sofort zu. Trotzdem wird sie Opfer der genaueren Betrachtung. Die Bauchseite ist Rötlich, der Rücken braunrötlich, dem umgebenden brauenen Waldboden angepaßt. Sie lebt in den warmen Hangpartien. Die junge Schlange wird entlassen. Das Vorkommen von Kreuzottern in dieser sauren Umgebung wäre denkbar. Doch haben sich diese Schlangen zumeist auf höheres Terrain zurückgezogen und sind außerhalb der Alpen nur in den südlichen Gebirgen verbreitet. Nun bleibt uns noch der Besuch des Waldhotels, wo wir zu Kaffee und Kuchen einkehren.
Auf dem Heimweg genau an der Kleinen Grenze von Österreich zu Ungarn besuchen wir noch einmal ein Feuchtwiesengebiet. Das bietet sich auch gut für ein Gruppenbild an, was wir aufgrund der zahlreichen Erlebnisse an diesem Tag beinahe vergessen hätten. Die Sibirische Schwertlilie spitzelt gerade aus dem Boden heraus, während andere Arten schon blühen. Auch ein Weißer Germer läßt sich heir blicken. interessanterweise wächst der auch hier und am ganzen südöstlichen Rand der Steiermark, wenn auch nur vereinzelt. Wir bedanken uns bei der Steirischen Landesbahn und unserem Busfahrer Herrn Maitz für die Gute Fahrt durch schwieriges Terrain und beim Herrgott fürs schöne Wetter.