Die 10 Todsünden der Wasserkraft

Die Betreiberfirmen von Wasserkraftanlagen versuchen immer wieder das Image der Wasserkraft durch Greenwashing zu verbessern. Sie gehören zu den besten Sportsponsoren, was natürlich auch eine Abhängigkeit der Gesellschaft von den Energieriesen mit sich bringt. Nie wird über die Nachteile dieser Form der Energiegewinnung gesprochen und doch trägt die Wasserkraft massiv zum Artensterben und zur Klimaverschlechterung bei. Jetzt ist der Balkan an der Reihe nachdem in Österreich schon fast alles aufgestaut ist.

Von der Kelag und Verbund betriebene und geplante Wasserkraftwerke am Balkan

Die 10 Todsünden der Wasserkraft
(Mag. Bernd Wieser)
Seit Jahrzehnten sind die Nachteile der Wasserkraftwerke genauestens dokumentiert und den Behörden bestens bekannt. Trotzdem hält man aufgrund der alten Ausrichtung der österreichisch/alpenländischen Elektrizitätswirtschaft und der neuen Richtlinien zur erneuerbaren Energie in Bezug auf die zu Unrecht erwartenden CO2 – Einsparungen an ihr fest. Neben den direkten ökologisch negativen Auswirkungen soll mit dieser Broschüre auf die Lügengebilde einer CO2-positiven Wasserkraftwirtschaft eingegangen werden.

Punkt 1:
Unterbrechung des Fließkontinuums:
Darunter ist die ständige, barrierefreie Flussstrecke eines Flusses gemeint. Kein von Menschenhand geschaffenes Objekt sollte die Fließeigenschaften des Wassers verändern, weil dadurch die Selbstreinigungskräfte vermindert werden und Wasserlebewesen, wie Fische nicht mehr wandern können. Mit den Stauwerken wird der Fluss oft auf mehrere Kilometer Länge aufgestaut. Auf dieser Strecke wird die Fließgeschwindigkeit wesentlich verändert. Im Bereich der Kraftwerke werden nun zwar verbindliche Aufstiegshilfen für Fische eingebaut, um diesen ihre Laichwanderungen zu ermöglichen. Die Fische kommen allerdings von einem für sie günstigen Fließabschnitt in einen für sie sehr ungünstigen Staubereich, verlieren die Orientierung und lassen sich wieder abtreiben. Die Sinnhaftigkeit der Aufstiegshilfen ist somit in Frage zu stellen.

Punkt 2:
Schwall und Sunk:
Wasserkraftwerkbetreiber passen aus ökonomischen Gründen die Stromproduktion dem über den Tag schwankenden Bedarf an und ändern dazu den Durchfluss durch die Turbinen in bestimmten kurzfristigen Intervallen und auf günstige Tageszeiten verteilt. Somit entstehen im Flussbett eine täglich mehrfach immer wiederkehrende Trockenlegung und Überschwemmung. Für die Lebewesen im Fluss ist dieser Faktor absolut lebensfeindlich. Zwischenräume im Sediment fallen trocken und darin abgelaichte Fischgelege und der Entwicklungsraum für sämtliches Leben im Wasser. Die Gewässer werden leblos. Erst viele Kilometer (an der Grenzmur bis zu 70 Kilometer) nach dem letzten Kraftwerk verschwinden die Schwall- und Sunk-Intervalle.

Punkt 3:
Geschiebe:
Erosion ist eine natürliche Erscheinung. Die Flüsse transportieren das Geröll aus dem Gebirge weiter und zerkleinern es auf ihren Wegen. In den tieferen Lagen bildet das Geschiebe die Grundlage für die wertvollen und nährstoffreichen Böden, wo wir unsere Nahrung erzeugen. Doch schon im Gebirge beginnt die Verbauung der Gräben aufgrund der Siedlungstätigkeit des Menschen und mit den Stauwerken wird das Geröll aufgehalten. Unterhalb von Flusskraftwerken kommt nur noch feinstes Sediment an, das die Zwischenräume des Schotters in der Flusssohle verklebt. Die Flusssohle wird hart wie Betonplatten. Kein Leben kann in die Sohle eindringen und sich dort reproduzieren. Das Gewässer wird leblos. In den Mündungsbereichen der großen Flüsse kommt kein Geschiebe mehr an. Das Meer holt sich über die Küstenerosion Material. Die Menschen verlieren dort ihre Siedlungsräume und flüchten landeinwärts. Weltweit sind davon Milliarden betroffen.

Punkt 4:
Fließgeschwindigkeit und Eintiefung:
Durch die Regulierungen sind unsere Flüsse begradigt und schnellfließender geworden. Sediment wird schneller abgebaut, als es aus den Bergen hinzukommt. Das führt zur Eintiefung der Gewässer und zum Absinken des Wasserstandes auch im Grundwasser. Flusskraftwerke können diesen Prozess nicht verhindern, weil sie seitlich mit Entwässerungsgräben ausgestattet sind und diese ebenfalls für Eintiefung sorgen. Die hohe Fließgeschwindigkeit in den verbliebenen Fließstrecken erhöht die Seitenerosion der Gewässerränder. Um dies zu verhindern, werden über das Umweltministerium jährlich Unsummen in Milliardenhöhe in Uferbefestigungen investiert.

Punkt 5:
Grundwasserabsenkung:
Durch die Regulierung und die seitliche Entwässerung von Staubereichen wird auch die Fließgeschwindigkeit im Grundwasser erhöht. Es entsteht ein unterirdischer Sog, der ganze Landstriche austrocknet. Aus dem Weltall sind diese Austrocknungen auch in Mitteleuropa dokumentiert worden. Sie betreffen das gesamte Talsystem regulierter und gestauter Flüsse. Ein Aufstauen der Flüsse hat also knegative Auswirkungen auf die Wasserversorgung des Umlandes.

Punkt 6:
Bodenverschlechterung:
Humus entsteht nur in Anwesenheit von Wasser. Wenn der Oberboden nicht mehr mit dem Grundwasser in Kontakt steht, kann nicht mehr so viel Humus durch CO2-Bindung entstehen, wie in einem natürlichen dynamischen Flusssystem. Das bedeutet, dass durch die Wasserkraftwerke und die Regulierungen die CO2-Bindefähigkeit unserer Talböden wesentlich herabgesetzt wurde. Die Lüge einer CO2-neutralen Energiegewinnung durch Wasserkraft ist damit offensichtlich. Im Gegenteil, Wasserkraft ist wegen Humusverlust im höchsten Maße CO2-Emittent!

Punkt 7:
Rückhalt von Niederschlagswasser:
Die Wasserkraftbetreiber haben ihre Kraftwerk-Stauräume immer als Niederschlagsrückhalteräume bezeichnet. Das ist falsch! Schon nach Sekunden kräftigen Niederschlags müssen die Stauwehre geöffnet werden, um nicht menschliche Siedlung durch Flutwellen (wie 2002 Kamp, 2012 Drau) zu gefährden. Vielmehr ist durch das Bauen von Stauräumen und die begleitende Austrocknung des Umlandes der Auwald als wichtigster Wasserspeicher der Landschaft Großteils zerstört oder zumindest schwer beeinträchtigt worden. So kann auch dieser wichtige Raum nicht mehr vor großen Überschwemmungen retten.

Punkt 8:
Methanbildung:
In den Stauräumen sammeln sich sehr viel Feinsediment und organische Stoffe an. Es kommt zur sauerstofflosen Gärung und Methan entsteht. Methan ist über 20 mal gefährlicher als CO2 für unser Klima. Die Stauräume werden deshalb auch zeitweise abgelassen – gespült! Bei diesen Spülungen werden riesige Mengen Feinmaterial aufgewühlt. Eine kurzzeitige aber flächenmäßig massive Verunreinigung der Flüsse ist die Folge. Damit verbunden ist Fischsterben entlang der gesamten Strecke. Die vorgeschriebene Sanierung, das Ausbaggern der Stauabschnitte, wird meist mit öffentlichen Mitteln gegen Hochwassergefahren vorgenommen. Dies ist eine indirekte Förderung von Wasserkraftwerksbetreibern und verschleiert die Wirtschaftlichkeit der Wasserkraft.

Punkt 9:
Temperatur:
Während der Sommermonate heizt sich das Wasser in den Stauräumen gegenüber den frei fließenden Strecken viel stärker auf. Die Folge ist eine schlechtere Sauerstoffbindung und damit eine Verschlechterung der Wasserqualität. Die erhöhte Temperatur im Gewässer sorgt für erhöhte Verdunstung und Wasserverlust und begünstigt auch das Fischsterben. Dieses verdampfte Wasser fehlt im Fluss, im Grundwasser und damit auch in der Landwirtschaft. Es fehlt vor allem aber auch als Kühlflüssigkeit für die Landmasse. Die Kontinentaloberflächen werden von den Fließgewässern und ihren begleitenden Grundwasserströmen gekühlt. Das geht nur, wenn die Grundwasserstände oberflächennah sind und nicht zu viel Wasser in den Gewässern aufgrund menschlicher Eingriffe verloren geht. Die Folge ist eine hausgemachte Erwärmung der Erdatmosphäre aufgrund der Stauräume.

Punkt 10:
Trinkwasser:
Das Absinken der oberflächennahen Grundwasserschichten durch Wasserkraftwerke und Regulierung, die Temperaturerhöhung und die Anreicherung mit Nährstoffen aus der chemisch-industriellen Landwirtschaft haben in der Vergangenheit die Grundwasserreserven aus den Auwäldern vernichtet. Dadurch sind begleitend zu den Flüssen bald keine regionalen Trinkwasserquellen mehr verfügbar. Es muss aus dem Gebirge Trinkwasser herangeführt werden. Das betrifft allein im österreichischen Murtal von Graz bis Sicheldorf über 250000 Menschen und die gesamte Tierhaltung. Die schlechte Grundwasserqualität wird an unsere slowenischen Nachbarn weitergegeben.